Überhitzung ist ein Topthema

Im Sommer wird es in Gebäuden schnell heiß.

Für die Baubranche bedeutet das eine große Herausforderung, zumal

in bestehenden Objekten die Möglichkeiten relativ gering sind.

Bernhard Schreglmann

Von    /   
Große Fenster bieten eine schöne Aussicht, aber der Sonne auch die Möglichkeit, die Räume aufzuheizen.
Große Fenster bieten eine schöne Aussicht, aber der Sonne auch die Möglichkeit, die Räume aufzuheizen.
SN/bernhard schreglmann

Welche Themen beschäftigen die Verantwortlichen der Baubranche in den nächsten fünf Jahren am meisten? Dieser Frage ist der Marktforscher Siegfried Wirth mit der Expertenbefragung "Zukunft Bauen" nachgegangen. Ergebnis: Die befragten Experten reihten an erster Stelle der Prioritäten das Thema "Sommerliche Überhitzung", dicht gefolgt von der Finanzierbarkeit und der "Nutzung erneuerbarer Energien".

Das Thema der Hitze hat natürlich viele Gründe, oft sind es konstruktive Moden, wie etwa die großen Fensterscheiben, oft ist es das Wetter. "Der Klimawandel beschert uns zunehmend Extremereignisse wie Regenkatastrophen, Hitzewellen und Wasserknappheit, das Wetter wird immer wechselhafter", erklärt Wirth. "Heuer hat das anhaltende Aprilwetter die Hitzewellen hinausgezögert, aber nicht verhindert. Besserung ist nicht in Sicht. Klimaforscher prognostizieren immer höhere und länger anhaltende Sommertemperaturen."

Diese Problematik ist auch den Bauexperten bewusst. Die "Vermeidung sommerlicher Überhitzung" wurde deshalb als wichtigste Herausforderung unter 25 vorgegebenen Themen genannt.

Interessant in diesem Zusammenhang ist aber auch, wie sich die Aktualität der Herausforderungen im Lauf der Jahre ändert. Die "Zukunft Bauen" erhebt seit dem Jahr 2011, welche Themen in den jeweils nächsten fünf Jahren wichtig werden. Die Finanzierbarkeit belegte heuer wie schon 2016 Rang zwei. Der Energieausweis hat mit Platz vier exakt die gleiche Note wie 2011. Auch die umfassende Sanierung von Gebäuden ist mit Platz fünf gleich geblieben. Die einzig signifikante Veränderung in den Top 6 gibt es bei "Bauschäden vermeiden/minimieren". Das Thema ist 2014 auf Rang eins eingestiegen und dann auf den vierten, fünften und zuletzt auf den sechsten Rang abgestiegen.

Doch wie lässt sich jetzt dem heurigen Hauptthema "Sommerliche Überwärmung" konkret begegnen? Im fertigen Haus kann umfassender, kostengünstiger Hitzeschutz nicht hergestellt werden, das gilt auch für einen hohen energetischen Standard. Beides erfordert integrales Vorgehen bereits vor der Architektenplanung, die dann erst die erforderlichen Baudetails festlegt. Wirth: "Nachträgliche Maßnahmen sind teurer, meist weniger wirksam oder mitunter gar nicht machbar."

Ganzheitliche Lösungen kann es daher nur im Neubau und bei umfassenden Sanierungen geben. Was dazu erforderlich ist, erläutert der klimaaktiv-Gebäudestandard: Durch das optimale Zusammenspiel von Fensterflächen, Speichermasse, Lüftungsmöglichkeiten, Sonnenschutz und anderen Faktoren lässt sich die Zahl der Überhitzungsstunden auf ein Minimum reduzieren.

Was kann man aktuell tun? Klimaanlagen sind nicht zu empfehlen. Ihr größter Nachteil ist, dass sie nicht wirklich kühlen, sondern die Hitze nur umverteilen: Je kühler es innen wird, desto heißer ist die Abluft und die macht die Stadt noch heißer! Davon abgesehen sind sie Energiefresser, besser gesagt teure Energievernichter.

"Am wichtigsten ist es, möglichst wenig Sonneneinstrahlung durch die Fenster hereinzulassen. Das geht auch im Bestand, und zwar umso wirksamer, je weiter draußen", erklärt Wirth. "Außenjalousien nützen mehr als Innenjalousien, diese nützen mehr als dichte, dunkle Vorhänge." Weiters hilft die Luftregulierung: tagsüber keine heiße Luft hereinlassen, also in diesen Tagen die Fenster erst spät in der Nacht öffnen. Dann können sie die Nacht hindurch bis zum nächsten Morgen offen bleiben, idealerweise mit Querlüftung. Bevor die Temperatur außen gleich hoch ist wie innen, müssen die Fenster wieder geschlossen werden.

Bereits im Vorjahr war die Kostenfrage Thema bei der "Zukunft Bauen": Für 31 Faktoren wurde gefragt, wie groß deren Beitrag zu den Gesamtkosten ist. Die Bandbreite der Noten reicht von 1,87 bis 3,79. Letztere bekommen die "Fahrradabstellplätze", deren Beitrag als gering eingeschätzt wird. "Grund-/Nebenkosten" mit Note 1,88 gehören klar zu den Kostentreibern, ebenso wie "fehlende frühzeitige Planung" (1,87). Der Planungsaufwand selbst trägt nur mäßig bei (3,01), ebenso Dämmmaßnahmen (3,06). "Planungsfehler dagegen haben großes Gewicht (2,29), noch mehr hat der fehlende Sonnenschutz (2,19), der im Grunde auch ein Planungsfehler ist", betont der Experte.

Zur Studie: Die Expertenbefragung "Zukunft Bauen" begleitet seit 2011 die Einführung der EU-Gebäuderichtlinie. Dazu wurde 2010 die Website www.expertenbefragung.com als produkt- und firmenneutrale Plattform eingerichtet. Die Vielfalt der Gebäudekonzepte war Ausgangspunkt der "Zukunft Bauen" und bleibt anhaltend wichtiges Thema. Wiederkehrende Fragen behandeln Bekanntheit und Marktaussichten von Gebäudekonzepten sowie zukünftige Herausforderungen für die Baubranche. Der größere Teil der Fragen jedoch ist jährlich wechselnden Schwerpunktthemen gewidmet.

Die Fragen richten sich an Expertinnen und Experten entlang der gesamten Wertschöpfungskette Bau. Der Frauenanteil der 2017 ausgewerteten Fragebögen liegt bei 15,9 Prozent. Das entspricht der Realität der Branche laut AMS-Qualifikationsbarometer: "2014 waren 16 Prozent der Beschäftigten im Berufsbereich Frauen."


Bitte stimmen Sie der Einwilligung zu.