Aus Alt wird Anders

Hölzerne Tennisschläger, die Zahnräder der Gangschaltung eines Fahrrads oder ein ausgedienter Lederkoffer sind zum Wegwerfen viel zu schade. Aus ihnen werden Wohnaccessoires.
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Ein Vogelkäfig dient als Lampenschirm und erzeugt ein schönes Schattenspiel.
Ein Vogelkäfig dient als Lampenschirm und erzeugt ein schönes Schattenspiel.
SN/neun-kreativwerkstatt

Upcycling heißt das Schlagwort. Gegenstände werden wiederverwertet und zweckentfremdet. Genau das machen Gloria Schumacher und Martin Pölzl. "Uns ist es wichtig, dass unsere Werke hochwertig verarbeitet werden", betont Schumacher. Die beiden funktionieren zum Bespiel einen alten ledernen Koffer in eine Sitzbank um. Die Sitzfläche wurde in eine Holzrahmenkonstruktion eingebaut und mit einem Stoff gepolstert, passend zu den originalen Aufklebern und Sesselfüßen. Der geöffnete Deckel des Reiseutensils wirkt wie eine Rückenlehne.

"Auszeit" - diesen doppeldeutigen Namen haben Gloria Schumacher und Martin Pölzl der Koffer-Sitzbank gegeben. Kein Objekt verlässt die "neun Kreativwerkstatt", ohne einen eigenen Namen bekommen zu haben. Oft gibt er einen Hinweis auf die Materialien, aus denen das Werk gefertigt wurde. Beim "Patronenfalter" etwa treffen zwei Flugobjekte aufeinander, wie sie gegensätzlicher nicht sein können. Aus goldfarbenen Patronenhülsen wurde ein Bilderrahmen, der zwei filigrane Schmetterlinge umgibt. Das "Bremslicht" ist ein Kerzenständer aus dem Griff einer Fahrradbremse.

Aus den Teilen von Fahrrädern entstanden die ersten Objekte der Kreativwerkstatt. Bremsscheiben, Radschläuche, Ritzeln - all dies eignet sich für ausgefallene Wohnaccessoires. Die Idee zur Selbstständigkeit und aus alten Dingen etwas Neues zu schaffen kam den Pinzgauern während einer Reise durch Thailand und Malaysia. "Es hat uns beeindruckt, dass die Bewohner abseits der Touristenströme aufgrund ihrer Armut aus wenig etwas Neues schaffen", erinnern sich beide. Nach ihrer Rückkehr in die Heimat haben sich die kreativen Quereinsteiger - Gloria Schumacher ist gelernte Sport- und Fitnesskauffrau, Martin Pölzl hat die Glasfachschule Kramsach besucht - mit ihrer Geschäftsidee selbstständig gemacht. Heute, zweieinhalb Jahre später, sind die beiden 26-Jährigen sehr stolz, diesen großen Schritt gemacht zu haben. So wurde das Hobby zum Beruf.

Inzwischen zieren ihre Werke Privatwohnungen, Restaurants und Hotels. Die Kunden kommen durch Mundpropaganda und sind aus allen Alters- und Berufsschichten, überwiegend aus dem Pinzgau. Derzeit wird an der Dekoration für ein Hotel in Kufstein gearbeitet.

In Gesprächen mit den Kunden werden die Details der Werke, abgestimmt auf den individuellen Geschmack, erarbeitet. Die beiden Kreativen schätzen diesen persönlichen Kontakt, bei dem Ideen weitergesponnen werden oder auch ganz neue Objekte entstehen.

Ihre Materialien und Ideen finden Schumacher und Pölzl auf ihren Reisen, auf Flohmärkten und bei Wohnungsauflösungen. Manchmal suchen sie gezielt nach Dingen in Antiquitätengeschäften, manchmal finden sie zufällig einen originellen Stein bei einem Spaziergang in der Natur. Entweder es kommt gleich unterwegs die Idee für ein neues Objekt oder das Sammelgut wandert erst einmal in den Fundus.

Aus hölzernen Tennisschlägern werden Spiegel, aus dem Inhalt von Überraschungseiern Bilderrahmen und aus Fahrradritzeln Kerzenständer. "Alle unsere Werke werden als Einzelstücke oder in Kleinserien gefertigt, jedes Unikat wird mit Liebe zum Detail ein Lieblingsstück", schildert Martin Pölzl. Ausprobieren steht bei der Umsetzung einer Idee an erster Stelle. Verschiedene Materialien und Stilrichtungen werden gemischt. Bei jedem Teil lernen Schumacher und Pölzl dazu und erweitern ihre handwerklichen Fähigkeiten. Jedes Unikat aus ihren Händen hat für sie eine Geschichte, die sich aus seinem Namen, der Herkunft der Materialien und der Entwicklung des Stücks zusammensetzt.

Eine Geschichte erzählen können die beiden über ein nettes Erlebnis. Eine ältere Dame suchte Dekomaterial für einen Adventkranz. Anstelle von Tannenzapfen oder Ähnliches stieß sie in der "neun Kreativwerkstatt" auf eine ausgefallene Kreation von einer Schallplatte, mit Spiegelboden, Lackkerzen verziert mit Draht und schwarzen Blättern. Die Kreation begeisterte die Frau. Sie hatte einen neuen, etwas anderen "Adventkranz" gefunden.

Gloria Schumacher und Martin Pölzl kommt bei ihrer Arbeit zugute, dass sie einen ähnlichen Geschmack haben und sich gut ergänzen. Natürlich kommt es vor, dass sie bei einem Objekt nicht immer gleicher Meinung sind. Dann wird nach einer Lösung gesucht: Wie sieht etwas besser aus oder wie lässt sich etwas besser umsetzen?

Der ähnliche Geschmack der beiden spiegelt sich auch in ihren eigenen Räumen wider. Der Einrichtungsstil ist ein bunter Mix aus alten und modernen Möbelstücken sowie aufgepeppten Dingen. "Wir passen in keine bestimmte Schublade", fasst Gloria Schumacher zusammen.

Info:
www.neun-kreativwerkstatt.at

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