Alltagsdruck lässt Konflikte eskalieren

"Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt", sagte schon Friedrich Schiller. Heutzutage lassen auch steigende Ängste das Zusammenleben scheitern.
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Gitta Höck liegt mit ihren Nachbarn unter anderem deshalb im Streit, weil sie Handwerker auf der Allgemeinfläche, die gleichzeitig der Zugang zu ihrem Garten ist, parken ließ. 
Gitta Höck liegt mit ihren Nachbarn unter anderem deshalb im Streit, weil sie Handwerker auf der Allgemeinfläche, die gleichzeitig der Zugang zu ihrem Garten ist, parken ließ. 
SN/Knoll

Bei auftretenden Konflikten mit der Nachbarschaft wird die Haut immer dünner. "Die Angst geht um und wenn man sich umschaut, ist das auch kein Wunder", stellt Gerhard Enner, Architekt, Autor und Mediator fest. "Die Sicherheiten nehmen ab, immer mehr Menschen fürchten um ihren Arbeitsplatz, man muss immer mehr leisten, ist ständig unter Druck. Auch wenn man sich die Kaufkraft anschaut, die ist heute auf dem Stand von 1994-97. Da bleibt immer weniger zum Leben übrig, gleichzeitig leben wir vor allem in der Stadt auf immer engerem Raum. Jeder wünscht sich ein ruhiges Leben und möchte, dass Partnerschaft, Beruf und nachbarschaftliche Beziehungen gut miteinander vereinbar sind. Aber durch die Lebensumstände sind heutzutage alle Menschen derart am Anschlag, dass eine Kleinigkeit genügt und sie explodieren."

Enner weiß, wovon er redet, er ist u.a. Mitglied des Mediatorenteams der Arbeitsgemeinschaft Konfliktlösung, das bei Streitigkeiten über die Stadt Salzburg seit heurigem Frühsommer kostenlose Erstgespräche anbietet. Lärm, Geruchsbelästigung, verstellte Parkplätze, Müll und Integration: bei diesen Themen geht den Menschen immer öfter der Hut hoch, die Nachbarschaftskonflikte eskalieren.

Unlängst ist der Maxglanerin Gitta Höck der Kragen geplatzt. Zum wiederholten Mal und mit Nachdruck hätten sich ihre Nachbarn u.a. beschwert, weil sie auf der kleinen Fläche, die zu ihrem Garten im Mehrparteienhaus führt, Handwerker parken ließ, obwohl die paar Quadratmeter Allgemeinfläche sind. "Das stört niemand, es war immer nur kurz und vor allem, damit ich Möbel und Material direkt über den Garten in meine Wohnung bringen kann und nicht das Stiegenhaus verschmutze", erklärt sie. Ihrem Ärger hat sie mit einem Facebook-Posting Luft gemacht. "Aber das war ja mit vielen Smileys versehen und nicht als direkter Angriff gedacht." Die Nachbarn fanden das hingegen nicht lustig und ließen Höck per Anwaltsbrief ausrichten, dass sie den betreffenden Post zu löschen habe, eine Unterlassungserklärung unterzeichnen und überdies Kosten von mehr als 500 Euro tragen solle. "Das sind Schikanen, reden hat keinen Sinn", kommentiert Höck. Der angesprochenen Nachbarin geht es ums Prinzip, auch wenn sie zugesteht, dass jeder seine eigene Wahrheit sieht. "Ich muss mich sowohl beruflich als auch privat gegen derartige Verunglimpfungen schützen", erklärt sie und bestätigt ihrerseits, dass Reden nicht möglich sei.

Für die Mediatoren, aber auch Leute in der Immobilienbranche ist ein derartiger Vorfall typisch. Neben steigendem Egoismus sind Nachbarn immer öfter nicht mehr gewillt, dem anderen zuzugestehen, was sie selbst gerne in Anspruch nehmen. Bellende Hunde, Katzen, die in den Gärten ihr Geschäft verrichten oder eine Hecke, die zu viel oder zu wenig beschnitten ist: Wo man früher einfach zum Nachbarn hinüber ging und per Handschlag eine Vereinbarung traf, werden heute Hausverwaltungen, Rechtsanwälte und Gerichte bemüht. "Die Menschen sind immer weniger in der Lage, Konflikte selbst zu regeln, sie wollen keine direkte Konfrontation. Sie sehen keine Möglichkeit, zu einer Lösung zu kommen und übergeben daher die Sache an eine übergeordnete Stelle, die das für sie regeln soll", stellt Walter Windischbauer vom Mieterschutzverband fest, denn immer häufiger landen derartige Streitigkeiten auch bei ihm. Gerhard Enner und seine Mediatorenkollegen stellen ebenfalls fest: Die prekärer werdende Lage lässt die Angst steigen und macht das Leben schwieriger: "Ich kann mich verbal nicht wehren und auch nicht finanziell, also schlage ich zu, wenn auch nur im übertragenen Sinn."

Dass Nachbarschaftsprobleme häufiger handgreiflich ausgetragen werden, kann Polizei-Pressesprecher Michael Rausch nicht bestätigen. "Die Polizei wird mitunter auch wegen einer Verschmutzung gerufen, dafür sind wir nicht zuständig. Für eine Sachbeschädigung hingegen schon." Für ihn ist das neue Projekt "Gemeinsam sicher" www.gemeinsamsicher.at des Innenministeriums ideal geeignet, das Sicherheitsgefühl zu stärken.


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